Guten Morgen,
heute haben wir mit einer Presseinformation die Kommentierung des
Referentenentwurf zur 10. Novelle des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) veröffentlicht: "Ungezähmte
Internetgiganten -
GWB-Digitalisierungsgesetz: Trippelschritte mit geringer Wirkung - Für
eine digitale Grundversorgung im 21. Jahrhundert!"
Noch mehr darüber erfahren könnt ihr auch auf unserem youbube-Video vom
87. Netzpolitischen Abend:
https://youtu.be/7ZTZ5XEXoQw
Beste Grüße
Elke
https://digitalegesellschaft.de/2020/01/ungezaehmte-internetgiganten/
GWB-Digitalisierungsgesetz
Ungezähmte Internetgiganten
Die Initiative „Konzernmacht beschränken“ und UnternehmensGrün
kritisieren, die Marktmacht der Internetgiganten wird nicht
beschränkt
Berlin, 21.1.2020: Die Veröffentlichung des Kabinettsentwurfs für die
Novellierung des Wettbewerbsrechts verzögert sich seit Wochen, es liegt
nur ein nicht-konsensfähiger Referentenentwurf vor. Die Initiative
„Konzernmacht beschränken“ und der Verband UnternehmensGrün wollen,
gemeinsam mit Oxfam, Digitalcourage und Digitale Gesellschaft,
angesichts dieser Hängepartie zu Beginn des neuen Jahres der Diskussion
neuen Schwung verleihen und legen ihre Forderungen vor. Sie begrüßen das
Bestreben, die missbräuchlichen Praktiken der Internetgiganten
einzudämmen. Sie halten den Regierungsentwurf allerdings für nicht
geeignet, um funktionierende digitale Märkte zu gewährleisten,
Marktabschottung zu verhindern und die Marktmacht der Internetgiganten
zu beschränken. Mit den neuen Regeln kann das Bundeskartellamt zwar -
wenn es will, missbräuchliche Praktiken der Internetgiganten untersagen
und bei hoher Gefährdungslage schneller einschreiten. Aber dieses
punktuelle Eingreifen greift bei „Winner-takes-it-all“-Märkten und bei
vorherrschenden digitalen Monopolen zu kurz. Die Bundesregierung hat es
versäumt, eine rechtliche Grundlage für eine Entflechtung als „ultima
ratio“ zu schaffen, „Killer-Akquisitionen“ zu kontrollieren und
Organisationsstrukturen zu ermöglichen, die den Missbrauch der
Marktmacht weitestgehend verhindern kann.
*Rena Tangens, Vorstand von Digitalcourage und Mitglied bei der
Initiative „Konzernmacht beschränken“*, kritisiert die mangelnde
Stärkung von Verbraucherrechten: „Die Gesetzesnovelle ist leider nicht
der große Wurf. Die Internetgiganten können sich auch in Zukunft
ungestraft weigern, kleineren Anbietern interoperable Datenformate und
eine Übertragung von Daten in Echtzeit bereitzustellen. So wird es
Verbraucher*innen quasi unmöglich gemacht, ohne Nachteile alternative
Messenger-Dienste oder andere soziale Netzwerke zu verwenden.
Datenschutz- und Verbraucherschutzorganisationen sollten ein
Antragsrecht auf die Einleitung eines Verfahrens des Bundeskartellamts
erhalten. Auch sollte das Bundeskartellamt nicht nur befugt sein,
verbraucherrechtsrelevante Missstände aufzudecken, sondern es sollte sie
auch abstellen können."
*Dr. Wolfgang Oels, COO von Ecosia und Mitglied bei UnternehmensGrün*,
merkt an: „Drastische Schritte sind notwendig, um endlich für fairen
Wettbewerb zu sorgen: Exklusivitätszwänge, Ausschluss von
marktbeherrschenden Plattformen, Gerichtsstände in den USA, irreführende
'Warnhinweise' und die missbräuchliche Bevorzugung eigener Dienste bei
der Vergabe von Standardeinstellungen sind schnell zu beenden. Die
Politik muss außerdem sicherstellen, dass kleine und mittelständische
Unternehmen nicht nur Recht haben, sondern auch Recht behalten und zwar
rechtzeitig, also in Internetgeschwindigkeit.“
Auch *Dr. Nicolas Scharioth, Geschäftsführer von Pollion und Mitglied
bei UnternehmensGrün*, hält eine Novelle des Kartellrechts allein für
nicht ausreichend: „Bei App-Märkten, Online-Marktplätzen, Suchmaschinen
und sozialen Medien handelt es sich um öffentliche Güter, die zur
digitalen Grundversorgung im 21. Jahrhundert gehören. Die
Bundesregierung sollte einen uneingeschränkten Zugang zu den
Plattformmärkten sicherstellen, indem sie für den Aufbau eigener oder
gemeinnütziger Angebote und Strukturen sorgt. Dazu gehören könnten
beispielsweise ein verpflichtender europäischer Suchindex, Open
Source-Social Media Alternativen, Datenstandards zur einfachen Migration
von Social Media Konten, ein Open Source Smartphone-Betriebssystem und
ein öffentlicher App-Markt, der auf allen Betriebssystemen zur Verfügung
steht.“
Hintergrund:
* Gemäß Koalitionsvertrag soll das Ziel der 10. Novelle des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sein, das Wettbewerbsrecht in
Bezug auf die Digitalisierung zu modernisieren und fit für den
kartellrechtlichen Missbrauch der Internetgiganten zu machen. (1)
* Mit der 9. GWB-Novelle hat der Gesetzgeber bereits einige
Anpassungen vorgenommen, die digitale Plattformen betreffen. Der
Annahme eines Marktes steht nun nicht mehr entgegen, dass eine
Leistung unentgeltlich erbracht wird. Es ist somit anerkannt, dass
Unternehmen auch bei der Erbringung unentgeltlicher Leistungen eine
starke Marktstellung erlangen können. Bei der Bewertung der
Marktstellung eines Unternehmens sind jetzt insbesondere bei
mehrseitigen Märkten und Netzwerken u.a. auch Netzwerkeffekte,
Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten und der Zugang
zu wettbewerbsrelevanten Daten zu berücksichtigen.
* Die Monopolkommission empfiehlt ihrem Hauptgutachten 2018, den
Verbraucherschutzverbänden ein Recht einzuräumen, die Durchführung
kartellbehördlicher Sektoruntersuchungen initiieren zu können. Als
besonders hoch wird das Risiko der Kollusion eingeschätzt. Dabei
koordinieren Unternehmen Preise oder Mengen und erzielen dadurch
höhere Gewinne als im Wettbewerb. Bei Preisalgorithmen ist es noch
schwieriger als ohnehin, kollusives Verhalten festzustellen.
* In der vom BMWi in Auftrag gegebenen Studie zur Missbrauchsaufsicht
bei marktmächtigen Unternehmen wird vorgeschlagen, das Kartellrecht
um einen Passus zu ergänzen, der die Untersagung eines
Zusammenschlusses auch dann ermöglicht, wenn ein Zusammenschluss
Ausdruck einer Gesamtstrategie ist, im Rahmen derer ein
marktbeherrschendes Unternehmen systematisch wachstumsstarke
Unternehmen in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung aufkauft, und
diese Strategie wirksamen Wettbewerb erheblich behindert
(Killer-Akquisitionen).
* Der Vorschlag, ein Entflechtungsinstrument als letzten Mittel in
einzuführen, ist nicht neu. Er geht bereits auf die 1960er Jahre
zurück, als der damalige Präsident des Bundeskartellamts Günther
solch ein Instrument forderte. Zuletzt hatte die FDP im Jahr 2010
einen entsprechenden Gesetzesentwurf in der Regierungszeit der
schwarz-gelben Koalition vorgelegt. Auch Kartellamtspräsident Mundt
und die Monopolkommission befürworteten damals die Einführung eines
missbrauchsunabhängigen Entflechtungsinstruments im Kartellrecht, um
auf „dauerhaft vermachteten Märkten Wettbewerb in Gang zu setzen und
aufrechtzuerhalten“. Die Monopolkommission sah auch keine
grundsätzlichen verfassungs- oder europarechtlichen Einwände, die
dagegen sprechen würden. In den USA ist die Entflechtung seit mehr
als 100 Jahren Teil der Rechtspraxis im Kartellrecht.
Diskussionspapier der Initiative „Konzernmacht beschränken“:
#Konzernmacht in der digitalen Welt:
https://www.oxfam.de/system/files/konzernmacht_digitale_welt_final.pdf
Pressekontakt:
*Dr. Katharina Reuter*, Geschäftsführerin UnternehmensGrün: Mobil:
0178-4481991
*Marita Wiggerthale*, Initiative „Konzernmacht beschränken“, Oxfam:
E-Mail: mwiggerthale(a)oxfam.de; Mobil: 0162-1386321
*Dr. Wolffang Oels*, Ecosia: E-Mail: wolfgang.oels(a)ecosia.org
*Rena Tangens*, Digitalcourage: E-Mail: rena.tangens(a)digitalcourage.de,
Telefon: 0521-1639 1639
*Dr. Nicolas Scharioth*, Pollion: E-Mail: scharioth(a)pollion.com
*RA Jan Schallaböck*, Digitale Gesellschaft e.V.:
j.schallaboeck(a)irights-law.de; Telefon +49.30.5459.8127
Presse-Info als pdf:
https://digitalegesellschaft.de/wp-content/uploads/2020/01/Pressereaktion_D…
Kommentierung Digitalisierungsgesetz als pdf:
https://digitalegesellschaft.de/wp-content/uploads/2020/01/Kommentierung_Di…
/Fußnote:/
(1)
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2018/20180904-kartellre…
--
Dr. Elke Steven
Geschäftsführerin Digitale Gesellschaft e.V.
Groninger Straße 7
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